Der Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine hat viele Menschen in ihrem Weltbild erschüttert. Viele, die sich in den 1980er Jahren in der Friedensbewegung engagiert haben und andere ehemals rüstungskritische Menschen haben ihre Meinung geändert und treten jetzt für den Aufbau des Militärs und für Waffenlieferungen ein. Sie sehen angesichts der Brutalität des Angriffskrieges keine Alternative. Häufig höre ich “dass man Putin doch nicht einfach so gewähren lassen kann” oder “dass man doch etwas tun müsse”.
Es geht also darum, einer militärischen Invasion etwas Wirksames entgegenzusetzen und nicht einfach zuzuschauen, wenn himmelschreiende Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten passieren. Ein zutiefst menschlicher Impuls. Und es scheint mir, als befürworteten viele Menschen die gegenwärtige Aufrüstung und Militarisierung nicht, weil sie prinzipiell für Militär und Gewalt wären, sondern weil sie keine Alternative sehen.
Image by ahmadreza heidaripoor from PixabayIch bin überzeugt, dass es solche Alternativen gibt. Alternativen, die das Potential haben, eine solche Invasion unwahrscheinlicher zu machen, ggf. sogar zu stoppen und die mit weniger Zerstörung v.a. für das Land verbunden sind, in dem sich der Krieg abspielt. Denn egal wie wir zu Waffenlieferungen etc. stehen[1]: die Ukraine zahlt gerade einen sehr hohen Preis in Form von Toten, Verletzten, Vertriebenen, tiefgreifender Traumatisierung, Ausverkauf sowie der Zerstörung weiter Teile des Landes. Dazu kommen zehntausende getötete oder schwer verletzte russische Soldaten.
Es geht also darum, besser und vor allem anders gerüstet zu sein, um im Ernstfall eine echte überzeugende Wahl zu haben, wie wir am besten auf bevorstehende und stattfindende Invasionen und Ähnliches reagieren wollen.
Der Blick auf das grausame Schlachten und Zerstören, das gerade in der Ukraine (und anderswo) passiert, zeigt, dass es an der Zeit ist, die Entwicklung und den Aufbau dieser Alternativen zu militärischem Handeln mit aller Kraft voranzutreiben, wollen wir nicht immer wieder in solch fürchterliche Zwickmühlen kommen wie ab Februar 2022 in der Ukraine.
Die Alternative, die ich Ihnen hier vorstellen möchte, hat das Potential zu einem echten Game-changer[2].
Dazu lade ich Sie zunächst zu einer kleinen Gedankenreise ein.
Stellen Sie sich vor, im Januar/Februar 2022 – als sich die Lage an der ukrainischen Grenze zuspitzte, hätten sich 100.000 Menschen friedlich, unbewaffnet und entschlossen auf den Weg in die Ukraine gemacht. Menschen wie du und ich, Frauen und Männer, aus einer Vielzahl von Ländern, aus dem Norden, dem Süden, dem Osten und Westen, Junge und Alte. Darunter auch prominente Menschen: z. B. KirchenvertreterInnen, vielleicht der Papst und orthodoxe Kirchenobere, ebenso wie buddhistische, hinduistische, muslimische, jüdische und indigene WürdenträgerInnen, PolitikerInnen aus verschiedenen Parlamenten, KünstlerInnen … Verbunden sind sie durch die Intention entschieden für Frieden zu stehen und Krieg sowie eine weitere Eskalation zu verhindern. Sie setzen ihre Körper, ihre Entschlossenheit und ihre Verbundenheit als Schutz für andere Menschen und Ausdruck eines anderen Weges ein. Viele hätten eine Grundausbildung in zivilem Peacekeeping gehabt, manche wären echte ExpertInnen.
Diese Menschen verteilen sich im Land an vielen Stellen, gehen in Kontakt, sind sichtbar für alle Welt. CNN berichtet, BBC, die Tagesschau, es gibt Live Streams in allen Netzwerken, Berichte in alle Welt, Bilder, Live-Stimmen, … Viele FriedensarbeiterInnen haben UnterstützerInnennetzwerke in ihren Heimatländern und weit darüber hinaus, die für eine öffentliche Diskussion sorgen, die sich um die Möglichkeiten eines echten Friedens in der betroffenen Region dreht und die auf die eigene Regierung Druck ausübt in diesem Sinne aktiv zu werden und die eigenen Beiträge und Unterlassungen in der Entstehung des Konflikts aufzuarbeiten.
Was glauben Sie, hätte das geändert?
Ich bin der Meinung, das hätte alles geändert. Die Invasion wäre möglicherweise gar nicht passiert. Und selbst wenn es zu einem Einmarsch gekommen wäre, wäre der Druck auf eine schnelle Beendigung durch Verhandlungslösungen enorm gestiegen. Der Krieg, so wie er uns bis heute begleitet, hätte so nie stattgefunden.
Wenn Sie skeptisch sind, kann ich das gut verstehen und lade Sie ein, mir weiter zu folgen.
Die meisten, die einer solchen Mission misstrauisch gegenüberstehen, gehen davon aus, dass ein “Scheusal wie Putin” sich von ein paar Unbewaffneten nicht beeindrucken ließe und die Menschen in weiß einfach gemeinsam mit den Ukrainern bombardieren und erschießen würde.
Und zugegeben: das ist eine mögliche Option. Niemand kann sie ausschließen. Haben doch immer wieder skrupellose Machthaber gewaltfreien Widerstand mit Waffengewalt beantwortet. Und ich möchte nichts beschönigen: Alle, die sich zu dieser Mission melden, müssen bereit sein, im Zweifelsfall auch zu sterben. So wie wir das im Übrigen auch von Soldaten verlangen.
Doch Vieles spricht dafür, dass es nicht zum Gemetzel kommen würde.
Da ist zum einen die große Zahl von Menschen: 100.000, die sich auf viele, viele Ort verteilen. So liefe jeder Angriff Gefahr, ausgewiesen friedvolle und unbeteiligte Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern zu treffen mit den entsprechenden internationalen Folgen. Gleichzeitig trifft jede Attacke nur einen sehr kleinen Teil der Mission.
Foto von Vladislav Klapin auf UnsplashDiese Internationalität ist wichtig. Es würden also nicht “nur” UkrainerInnen getötet werden (was furchtbar genug ist), sondern eigentlich Unbeteiligte aus vielen anderen Ländern. Die Erfahrung mit Naturkatastrophen, Anschlägen u. Ä. zeigt, dass die öffentliche und politische Reaktion eine völlig andere ist, wenn BürgerInnen aus dem eigenen Land betroffen sind. Der Konflikt rückt dann plötzlich sehr viel näher. Regierungen haben den Schutz der eigenen Bevölkerung sehr viel mehr im Blick als den Schutz anderer. Und auch die öffentliche Meinung ist erheblich mehr betroffen und nimmt anderen Einfluss auf die eigene Regierung.
Russland kann den Krieg v.a. deshalb wirtschaftlich und politisch durchstehen, weil weiterhin viele Länder nicht nur keine Sanktionen verhängen, sondern die wirtschaftliche und politische Kooperation sogar vertiefen (Stichwort China, Stichwort Brics-Staaten). Ob diese Zusammenarbeit mit Russland weiter so funktionieren würde, wenn auch eigene Staatsangehörige von der russischen Armee umgebracht und verletzt werden, möchte ich bezweifeln.
Auch innenpolitisch käme Putin viel eher in deutliche Legitimationsprobleme. Nicht zuletzt die Rekrutierung von Soldaten wäre erschwert[3]. Denn auf „Feinde“ zu schießen ist nochmals etwas anderes als auf Menschen aus aller Welt, die mit ihrer Anwesenheit einen Krieg verhindern wollen.
Zugegeben: All dies sind Spekulationen. Doch es gibt auch Erfahrungswerte. So werden seit vielen Jahren von verschiedenen Organisationen unbewaffnete Friedenskräfte in den schlimmsten Gewaltregionen der Welt eingesetzt. Die Erfahrungen zeigen, dass sogar die Banden von brutalen Warlords meist davor zurückschrecken, diese Friedenskräfte umzubringen. Und das, obwohl in diesem Fall die Weltöffentlichkeit kaum davon erfahren würde[4]. Auch die Forschungen von Erika Chenoweth und anderen zeigen, dass selbst sehr brutale Herrscher in Legitimations- und v.a. Loyalitätsprobleme kommen, wenn sich ihnen viele entschlossene Menschen auf gewaltfreie Weise entgegenstellen. Üblicherweise verweigern ab einem gewissen Punkt Militär, Polizei und Verwaltung den Machthabenden ihren Gehorsam.[5]
Besonders beeindruckend ist die Geschichte der Frauen in weiß in Liberia. Leymah Gbowee, eine der Initiatorinnen der dortigen Frauen-Friedensbewegung erhielt stellvertretend für die Bewegung 2011 den Friedensnobelpreis. Die beteiligten Frauen schafften es in einem total zerrütteten Land einen Friedensvertrag zwischen den Krieg führenden Gruppen auf komplett gewaltfreiem Weg zu “erzwingen”. Voran gegangen waren 14 Jahre brutalster Bürgerkrieg mit 200.000 Toten. Die Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben und unglaubliche Gräueltaten waren an der Tagesordnung. Leymah Gbowee nennt es einen “total break down in moral values”[6].
Die Liste der erfolgreichen Gewaltfreien Widerstandsbewegungen ist lang und fängt nicht mit Gandhi an und hört auch nicht mit ihm auf. Eine Übersicht gibt Erica Chenoweth und einen kleinen Einblick die Seite von Sicherheit neu denken. Insgesamt kommen Chenoweth und Stephan (2012) in ihrer breit angelegten Studie dazu, dass gewaltfreie Widerstandsbewegungen um 50% erfolgreicher darin sind, die vorhandenen Herrscher zu entmachten. Außerdem sterben viel weniger Menschen, die Wahrscheinlichkeit der Etablierung einer Demokratie steigt, die Versöhnung wird leichter und die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Bürgerkrieg an den erfolgreichen Sturz des unerwünschten Herrschers anschließt, sinkt.
All das ist keine Garantie. Auch gewaltfreie Widerstandsbewegungen können scheitern und viele der untersuchten Beispiele beziehen sich auf innerstaatliche Konflikte – auch wenn die, wie wir am Beispiel Liberia oder im Sudan sehen, enorm brutal und kriegerisch sein können.
Doch wie ist das mit der “Erfolgsbilanz” von militärisch geführten Auseinandersetzungen? Wie oben zitiert, ist sie in vielerlei Hinsicht schlechter als die gewaltfreier Widerstandsbewegungen. Aber selbst mit großer Übermacht geführte Angriffskriege haben oft eine ausgesprochen magere Erfolgsbilanz, um es vorsichtig zu sagen. Man schaue nur auf die Bilanz der US-geführten Invasion in Afghanistan. Der Militäreinsatz hat allein die USA 2,3 Billionen Dollar gekostet (ohne psychologische Folgekosten und längerfristige Zinskosten). Das ist etwa das 420fache des gesamten afghanischen Haushalts von 2020. Außerdem wurden ca. 243.000 Menschen getötet. Und das politische Ergebnis für Afghanistan kennen wir: ein menschenverachtendes Regime an der Macht, bittere Armut, systematische Menschenrechtsverletzungen …. Genauso wenig hat der Krieg den internationalen Terror gestoppt. Im Gegenteil: es deutet vieles darauf hin, dass er sogar verstärkt wurde[8].
Oder betrachten wir den völkerrechtswidrigen Angriff der USA und Großbritanniens auf den Irak: auch er war alles andere als erfolgreich. Ohne die Toten durch verschlechterte medizinische Versorgung etc. sind durch diesen Krieg weit mehr als eine halbe Millionen Menschen gestorben. Auch hier ist ein zerrüttetes Land zurückgeblieben, das immer noch mit den Folgen dieses Krieges zu kämpfen hat. Und dabei sind all die Soldaten und Soldatinnen, die aus diesen Kriegen schwer versehrt heimkehrten, noch gar nicht genannt. Allein die Zahlen zu PTSD und anderen, vor allem auch psychischen Erkrankungen, sind enorm und ihre Auswirkungen auf die heimgekehrten Soldaten, ihre Familien und ihr Umfeld immens[9].
Frieden mit Waffen zu erzwingen zu wollen, ist in der Regel eine Illusion: in der Ukraine und in Israel/Palästina weisen gerade auffallend viele namhafte (ehemalige) Militärs darauf hin, dass ein echter Sieg auf militärischem Wege nicht erreichbar ist[10]. Es gilt gemeinhin als sicher, dass Israel trotz einer riesigen militärischen Überlegenheit noch nicht einmal in der Lage sein wird, die Hamas zu vernichten, geschweige denn Sicherheit in Israel zu gewährleisten.
Wie kommt es, dass trotz alledem das Vertrauen in militärische Lösungen so viel größer ist als in die Wirksamkeit gewaltfreier Mittel? Das ist ein komplexes Thema, das an anderer Stelle zu beleuchten ist. Doch ein Grund ist sicherlich, dass es für viele Menschen an einer vertrauenswürdigen, anfassbaren Alternative fehlt, an einer greifbaren, überzeugenden Vision.
Die „100.000 Menschen in weiß“ sind eine solche Vision. Es wird Zeit, dass wir unsere Energie in den Aufbau solcher gewaltfreier Alternativen und Erweiterung unserer Möglichkeiten stecken statt immer mehr des Gleichen. Allein die Nato verfügt über fast 3,4 Millionen Militärangehörige. Wie wäre es, wenn die geplante Aufrüstung nicht in Form von militärischem Gerät und zusätzlichen SoldatInnen passieren würde, sondern als Aufbau einer internationalen Gewaltfreien Eingreiftruppe im beschriebenen Sinn?
Wäre es nicht vordringlich – auch wenn man die militärische Abschreckung für sinnvoll hält – zumindest einen kleinen Teil der Mittel in die Möglichkeit zu investieren, in hoch aufgeheizten Konflikten eine gewaltfreie Alternative zu einem bewaffneten Krieg zur Verfügung zu haben und damit zumindest in Zukunft den Tod zehn- oder Hunderttausender verhindern zu können?
Die Nato hatte 2021 einen fast 18fach höheren Rüstungshaushalt als Russland und verfügte über fast viermal so viele SoldatInnen – all das noch vor der jetzt stattfindenden Aufrüstung und Erweiterung). Können, nein, sollten wir es uns nicht leisten, alle erfolgversprechenden Möglichkeiten im Umgang mit Konflikten zu nutzen und unsere Optionen zu erweitern und für ein nächstes Mal besser gerüstet zu sein? So wie wir in unserer Werkzeugkiste nicht nur die unterschiedlichsten Arten von Hämmern haben, sondern auch Schraubenzieher, Zangen etc. Ab einem gewissen Punkt macht es einfach immer weniger Sinn, ausschließlich noch mehr, effektivere, bessere, neuere Hämmer zu entwickeln und anzuschaffen. Es macht Sinn, in andere Werkzeuge zu investieren, wenn wir dem gerecht werden wollen, was uns an Aufgaben in dieser komplexen, wundervollen Welt begegnet.
Ebenso ist es Irrsinn, angesichts der riesigen Kosten einer rein militärischen Sicherheitstrategie, nicht in gewaltfreie Alternativen zu investieren. Es gibt sie, lasst sie uns nutzen.
Anmerkungen:
[1] Dabei lasse ich die Frage, ob und in welchem Umfang Waffen an die Ukraine geliefert werden sollen, außen vor. Nicht, weil das keine wichtige Frage ist, sondern weil die übermäßige Fixierung auf diese Frage im Wege steht, wenn wir auf die Situation in unserem Land und die möglichen Stellschrauben schauen wollen.
[2] Und natürlich ist es mindestens ebenso wichtig, in die vorzeitige Beilegung von Konflikten zu investieren und der Eskalation vorzubeugen. Hierzu liefert die Seite https://www.sicherheitneudenken.de/ ausführliche Informationen.
[3] An dieser Stelle sei noch notiert, dass natürlich im Fall der Ukraine auch Druck auf die westlichen Staaten ausgeübt werden müsste, um die Bereitschaft zu erhöhen, die eigene Beteiligung kritisch zu hinterfragen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die die berechtigten Interessen aller Beteiligten, also auch Russlands berücksichtigen.
[4] S. z. B. https://youtu.be/aAnps06EJfY und https://nonviolentpeaceforce.org.
[5] S. deutsche Zusammenfassung unter https://tinyurl.com/mr42nwyy. TED-Talk von Erika Chenoweth unter https://www.youtube.com/watch?v=YJSehRlU34w. Ausführlich z. B. Chenoweth, E. & M. Stephans (2012): Why Civil Resistance Works: The Strategic Logic of Nonviolent Conflict (Columbia Studies in Terrorism and Irregular Warfare).
Sehr eindrücklich auch der zweiteilige Dokumentarfilm „A force more powerful“ auf Youtube.
[6] S. auf deutsch: https://youtu.be/mP_kFTewafk oder die Autobiographie von Leymah Gbowee „Wir sind die Macht“.
[8] S. Todenhöfer, J. (2015): Inside IS – 10 Tage im islamischen Staat. C. Bertelsmann.
[9] So ist die Selbstmordrate bei amerikanischen Veteranen aus dem Afghanistan- und Irakkrieg enorm hoch. Auf jeden im Krieg gefallenen Soldaten kommen vier, die sich selbst umbringen. Von den 4,5 Millionen Soldaten, die in den beiden Ländern im Einsatz waren, sind bis heute 40% teilinvalid. (NZZ und https://watson.brown.edu/costsofwar/papers/summary)
[10] S. z. B. den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr General a. D. Harald Kujat: https://youtu.be/sQXbSJdH4ME?si=ZK07br_5Rk2u9zHz
7 Antworten zu “100.000 in weiß – eine gewaltfreie Alternative zu Militäreinsätzen”
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Lieber Gerhard, ich finde deinen Vorschlag und deine Idee ganz wundervoll. Spürend, dass mich der Ansatz der 100.000 gewaltfrei marschierenden internationalen Masse überzeugt, kann ich nur unterstützen, auf diese Weise in Kriegsgebiete einzuziehen. Die Vorstellung, dass die Militärs und gar die NATO solche eine Bewegung (u.a.) mit Soldat::innen aufbaut, berührt mich zutiefst. Und tief in mir spüre ich das Wissen, dass eine solche Aktion zielführender wäre als Abwehr und Gegenangriff… Auch in der Ukraine.
Herzlich, Sabine
Lieber Gerhard,
du entwirfst da zwar eine wundervolle Vision, ich halte sie aber für völlig unrealistisch.
Um Kriege wirklich zu vermeiden bedarf es nach meiner Überzeugung einer tiefgreifenden Emanzipation der gesamten Menschheit. Kriege werden ausnahmslos von Mächtigen geführt, denen es gelungen ist, die ihnen untergebene Bevölkerung durch Zwang und/oder Propaganda dazu zu bewegen, für ihre egoistischen Interessen und gegen die Interessen der Bevölkerung selbst, in den Kampf zu ziehen. So wie es in einem Volkslied aus der Zeit des 30-Jährigen-Krieges heißt: „Der Kaiser hat beschlossen, zu zieh’n in fremdes Land […] Viel’ Tausend müssen ihr Leben geben drauf“. Und das gilt genauso für die vielen innerstaatlichen Kriege unserer Zeit. Auch der Krieg in der Ukraine ist das Ergebnis von „Geopolitik“, der Konkurrenz der politischen und wirtschaftlichen Eliten um Einflußsphären und Ressourcen. Eine Konkurrenz bei der es nur um die eigene Macht und die Mehrung des eigenen Reichtums geht. Und die gesamte sogenannte „Zeitenwende“ ist ebenfalls nichts anderes, als der bisher sehr erfolgreiche Versuch der Mächtigen, uns alle erneut in Kriege zu führen, von denen sie sich persönliche Vorteile versprechen.
Solange die Menschheit das nicht begreift und sich immer wieder vor den Karren spannen lässt, werden wir in kriegerischen Auseinandersetzungen gefangen bleiben.
Ziviler, gewaltfreier Widerstand kann sicher viel bewirken, besonders, wenn er einen langen Atem hat. Gerade wir Deutschen sollten das doch wissen. Verhindern wird er Kriege nicht. Das kann nur die Vision der Friedensbewegung der 1980er Jahre: „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“.
Und noch einen Punkt halte ich für wichtig: Kooperation. Kooperation ist DAS, auch evolutionäre, Erfolgsrezept der Menschheit. Wer zusammenarbeitet bekämpft sich nicht. Das Gegenteil von Krieg ist nicht Frieden. Frieden ist nur die Abwesenheit von Krieg. Das Gegenteil von Krieg ist Kooperation. Wenn wir das vergessen, werden wir keine der existentiellen Krisen und Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.
Lieber Dirk,
viel Stoff in deinem Kommentar. Danke dafür. Und ich teile viele deiner grundlegenden Einschätzungen.
Ja, die Vision erscheint von jetzt aus betrachtet vielleicht unrealistisch. Gleichzeitig ist sie in Wirklichkeit relativ leicht zu verwirklichen und kann von ganz unterschiedlichen Seiten angestoßen und verwirklicht werden. Viele verschiedene staatliche und überstaatliche Seite, aber auch zivilgesellschaftliche. Gerade sind die Zeiten für größere Friedensbewegungen scheinbar ungünstig. Das kann sich aber auch schnell ändern. Die große Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre war auch wenige Jahre vorher nicht absehbar. Ich hoffe, dass es keine noch größere Katastrophe braucht, damit hier eine Umorientierung stattfindet.
Und für mich ist Frieden enorm viel mehr als die Abwesenheit von Krieg – auch wenn das schon ziemlich viel ist. Gustav Heinemann war es glaube ich, der in einer berühmten Rede gesagt hat, dass der Frieden der Ernstfall ist. Frieden muss gestaltet, errungen, gefeiert, genossen, ausgebaut, immer wieder erneuert werden. Kooperation ist darin eindeutig absolut zentral.
Lieber Gerhard,
Ich danke dir für diesen Beitrag, denn nur durch solche Visionen und Geschichten können wirkliche Initiativen ins Leben gebracht werden die eine Alternative zum Militärischen sein können. Diesen Rückfall in das Militärische werden wir alle noch teuer bezahlen.
Ich hoffe ja sehr, dass auf diplomatischen Wegen viel mehr versucht wird, als sein der Öffentlichkeit bekannt wird.
Was machen eigentlich diese vielen Friedens- und Konfliktforscher, die jetzt in allen Talkshows auftauchen den ganzen Tag über? Analyse,Diagnosen, aber kaum friedensfördernde Initiativen…
Zuversichtliche Grüße
Lieber Johannes,
danke dir! Und ich teile deinen Wunsch, dass hinter den Kulissen sehr viel mehr konstruktives passiert als wir mitbekommen ebenso wie deine Einschätzung, dass wir und unsere Kinder und Enkelkinder für die stattfindende Militarisierung auf vielen Ebenen teuer bezahlen werden.
Lieber Gerhard. Vielen Dank für deinen Artikel. Deine deine Idee nährt, macht Mut und wird sich weiter verbreiten und entwickeln. herzliche Grüße, Ingo
Danke Ingo!