Solidarität – die Kraft, die große Veränderung schafft

Was möglich wird, wenn wir diese Kraft für zukünftige Generationen nutzen:
Der andere Blickwinkel auf die Coronazeit Teil 1.

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Wir erleben gerade, wie eine ganze Gesellschaft zusammenrückt und erhebliche Einschränkungen der Lebensgewohnheiten in Kauf nimmt, um einer vergleichsweise kleinen Gruppe von Menschen das Überleben zu ermöglichen. Der allergrößte Teil der Menschen in unserer Gesellschaft muss eine Corona-Infektion nicht fürchten – selbst wenn die pessimistischsten Prognosen zutreffen sollten. Es geht in Wirklichkeit also überwiegend darum, die alten und vorerkrankten Menschen zu schützen und für den Fall einer außerordentlich großen Epidemie vorzusorgen. Dafür nehmen wir sogar in Kauf, dass die heilige Kuh der modernen Welt, die Wirtschaft, ins Stocken gerät. Auch wenn manche es anders sehen – einmal stehen nicht primär wirtschaftliche Überlegungen und Profitmaximierung im Mittelpunkt, sondern menschliche Werte: die Solidarität mit den Schwachen in unserer Gesellschaft. Wenn ich diese Perspektive zulasse, dann hat es fast etwas zärtliches und es berührt mich. Ich kann nicht beweisen, dass es so ist, aber mir tut der Blickwinkel gut, dass auch in der Politik, in der Wissenschaft, in der Verwaltung viele Menschen ihr Bestes geben und mutige Entscheidungen treffen auf extrem unsicherer Datengrundlage um das Schlimmste zu verhindern[1].

Die Coronakrise zeigt aus meiner Sicht, was möglich ist, wenn viele sich in Solidarität vereinen, wenn eine Notlage wirklich als solche erkannt und gespürt wird, wenn viele maßgebliche Kräfte in einem Land (oder vielen Ländern) zusammen an einem Strang ziehen, um befürchtetes und prognostiziertes schlimmes Unheil zu verhindern bzw. für einen Teil der Bevölkerung Vorsorge zu betreiben.

Was wäre, wenn diese Kraft sich ausweiten würde. Als Solidarität z. B. mit den Menschen am anderen Ende des Lebenslaufs: den Kindern, Babys, Ungeborenen? Kannst du dir vorstellen, was möglich wäre, wenn wir ähnliche Kräfte mobilisieren würden, um eine Wende in Sachen Klima anzustoßen und umzusetzen? Ich bin mir sicher, dass wir schon nach einem Jahr große Veränderungen erreichen würden und in 20 Jahren den nächsten Generationen „eine Welt übergeben“ könnten, in der die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen viel mehr berücksichtigt wären, eine Welt, in der die Menschen nicht dauernd auf Kosten der nächsten Generationen leben würden. Die in den gängigen Klimamodellen prognostizierten Veränderungen und Belastungen durch die gerade laufende Klimaveränderung gehen weit über das hinaus, was wir gerade mit Corona erleben. Das Gute in dieser Situation ist: es mangelt nicht an guten Ideen und erprobten Ansätzen wie wir hier auf vergleichsweise einfache Weise grundlegende Veränderungen erreichen könnten (s. z. B. https://www.drawdown.org/)[2].

Die Frage ist vielmehr: Was braucht es, um heute eine ähnlich zärtliche Entschlossenheit, Veränderungsbereitschaft und Solidarität für die kommenden Generationen entstehen zu lassen und die nötigen Veränderungen wirklich anzustoßen und umzusetzen? Was meinst du? Und was kannst Du dafür tun?

_________________
[1] Natürlich spielen auch andere Motive eine Rolle und gibt es auch Akteure, die ganz anders handeln sowie gegenläufige Entwicklungen. Das will ich nicht leugnen. Es geht mir nicht darum, eine heile Welt zu malen. Es genügt, dass es die von mir beschriebenen Motive auch gibt und sie in dieser Situation eine wesentliche Kraft darstellen. Die Frage, die dann entsteht, finde ich aktivierend: Was kann ich tun, um diese Kräfte zu stärken?

[2] Und wenn wir es geschickt machen würden, käme diese Solidarität auch noch vielen Anderen zu Gute: Z. B. den 3,1 Mio Kindern unter 5 Jahren, die jedes Jahr an Mangel- und Unterernährung sterben oder den 320 000 Menschen, die jedes Jahr an Krieg und Völkermord sterben.

Image oben by Gerd Altmann from Pixabay

geschrieben am 23. März 2020 von Gerhard Rothhaupt

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6 Antworten zu “Solidarität – die Kraft, die große Veränderung schafft”

  1. B. L. sagt:

    Vielen Dank für diese Anregungen! Auch wir haben in der Familie schon darüber gesprochen, dass die derzeitige Situation eine große Chance für Wege aus der Klimakrise sein kann. Zur Zeit gibt es ja ganz automatisch weniger CO2-Ausstoß und ich wünsche mir sehr, dass wir das nützen, um beim erneuten “Hochfahren” unserer Wirtschaft direkt der Nachhaltigkeit und Schonung unserer Lebensgrundlagen Priorität zu geben. Ich vertraue da auch darauf, dass die Menschen, die sich bei diesem Thema zu besonderem Engagement berufen fühlen, nachdrücklich an die Thematik erinnern.
    Mein eigenes Engagement sehe ich nach wie vor mehr bei bewusstem eigenem Konsumverhalten, in der Gestaltung des eigenen Gartens und darin, mich energetisch mit täglichen Gebeten und Reiki mit der Vision des höchsten Wohls für alle zu verbinden. Und mit all den anderen Menschen, die sich ebenfalls dafür einsetzen. Außerdem bin ich seit Jahren daran, immer wieder neu nach Heilung zu streben für all das, was mich daran hindert, der glückliche, liebevolle, großzügige und bewusste Mensch zu sein, der ich gerne sein will. Mehr Engagement meinerseits ist im Moment nicht möglich. Vielleicht reicht es ja auch völlig aus, wenn genügend Menschen dabei mitmachen, bei sich selbst anzufangen?

    • Gerhard Rothhaupt sagt:

      Liebe Barbara,
      vielen Dank für den Kommentar! Und ich finde es enorm wichtig, ein Bewusstsein für die Haltung zu entwickeln mit der wir Veränderungen wollen. Und ich bin überzeugt, dass mit jeder Veränderung der Haltung in mir auch die Welt ein klein wenig verändert wird. Außerdem hat mich Charles Eisenstein davon überzeugt, dass kein Mensch vorher sagen kann, was welche Veränderung bewirken wird. Wir glauben automatisch häufig an die Macht des Handelns und der großen Zahl. Doch vielleicht ist es ganz Anderes, dass die echten Veränderungen anstößt und “bewirkt”?
      Gleichzeitig sehe ich, dass es schwer wird Heilung nur in mir zu finden. Ich für mich erkenne immer wieder und immer mehr, dass ich nicht wirklich gesunden kann in einer ungesunden Umwelt und dass manchmal das, was ich im Außen tue, die größte Wirkung in mir hat.
      Beim Klettern gibt es sogenannte Kamine. Links und rechts gehen glatte Wände senkrecht nach oben. Keine Chance an einer der beiden Wände hoch zu kommen. Wenn ich aber ein Bein und eine Hand an die eine Wand drücke und die anderen an die andere Wand, dann kann ich Stück für Stück nach oben klettern. Immer einmal den Fuß an der einen Wand etwas heben, dann den anderen … Und so komme ich schließlich oben an.
      Liebe Grüße
      Gerhard

      • Lütjohann, Beate sagt:

        Hihi, ich habe am Donnerstag das erste Mal im Leben demonstriert – für eine freie Impfentscheidung. Und ich habe ja vorher schon einige Petitionen unterschrieben, aber so viele wie in letzter Zeit, waren es davor nicht…
        So wie es aussieht, bin ich inzwischen bereit, mich zu zeigen mit meinem Wunsch nach einer besseren Welt, kann ein-stehen, für das, was mir wichtig ist. Denn auch ich merke (wie du oben schreibst), dass heilsame Entwicklungen leichter gelingen, wenn die Umwelt (sprich die Natur wie auch die Menschen, mit denen ich zu tun habe) heiler ist. Heute habe ich mich an eine Aussage erinnert, über die ich irgendwo in der GfK-Literatur gestolpert bin (ich glaube, es war bei Frank Gaschler?): Ich möchte in einer Welt leben, in der die Bedürfnisse aller (Menschen, Tiere, Pflanzen, Ökosysteme) respektiert werden. Ich habe nach Luft geschnappt und Tränen traten in meine Augen. Was für eine Vision! Es tat richtig weh, sie mir zu erlauben. Und doch ist es wahr. Genau das wünsche ich mir.
        Herzlichst
        B.(eate)L.

        • Gerhard Rothhaupt sagt:

          Liebe Beate,
          ja, das kann schmerzhaft sein, das zu spüren. Marshall nannte es “the pain of coming back to life” – den Schmerz, den wir spüren, wenn wir ins Leben zurück kommen. Für mich ist das Sinnbild dafür der Schmerz, den ich spüre, wenn meine Beine eingeschlafen waren nach (zu) langem Sitzen im Schneidersitz.
          Danke für dein Teilen.

  2. Lieber Gerhard,

    danke für Deine Texte, die mich anregen und inspirieren. Ich habe auch schon oft überlegt, warum sich in anderen Bereichen wie z.B. dem Klima alles so langsam bewegt, so wening entschlossen ist. Ein wichtiger Unterschied ist, dass es bei der Coronakrise ein recht plötzliches Ereignis gegeben hat. Wir sehen Tod und Leid. Viele spüren auch bei sich oder älterer Verwandschaft oder Freunden, bei Menschen mit “Vorerkrankungen” Angst vor Krankheit, Leid und Tod. Das löst eine Art Schock aus. Änlich hat ja der Atomausstieg zwar noch nicht nach Hiroshima aber nach Fokoschima recht schnell funktioniert.

    Ein anderer wichtiger Unterschied ist, dass wir sehr schnell die Konsequenzen unseres gemeinsamen Handelns sehen. Nach wenigen Tagen sehen wir die Konsquenzen unseres Handeln zumindest an Zahlen. Wir spüren natürlich auch, dass die Luft sauberer ist, der Lärm weniger wird, das Wasser in Vendig sauberer ist. Ich hoffe, dass wir auch das nicht so schnell vergessen.

    Die Frage ist doch, wie wir aus der jetzigen Krise und der Bereitschaft zu Verzicht lernen können. Wie können wir gemensam Bedingungen schaffen, andere Bedrohungen, wie letzlich viel größer sind, als diese Pandemie, ernst zu nehmen. Schaft es die Generation “Greta” mit dem Freitag für die Zukunft nach der Corona-Krise sich wieder so ins Bewustsein zu bringen und das Solidaritätsgefühl, das jetzt wächst zu nutzen, um diesen Themen das gleiche Gewicht zu verleihen und so zu einem konsequenten Handeln zu kommen. Das ist zumindest meine Hoffnung. Vielleicht schaffen wir ja nach dieser Krise – wie das Wirtschaftswachstum nach den Weltkriegen – einen wirlich großen Umbruch. Wie wäre das schön und würde dieser Krise und den Opfern einen tieferen Sinn geben. Ich glaube nicht, dass die Krise perse diesen Sinn hat. Aber wir können – als Weltbevölerung – aus ihr lernen.

    Soweit meine Gedanken zu Deinem Text.

    • Gerhard Rothhaupt sagt:

      Lieber Steffen,

      vielen Dank dir für deinen Kommentar und Ergänzung. Ich kann deinen Gedanken gut folgen. Ein Punkt der mir auch noch wichtig erscheint im Vergleich Corona-Klima(etc). Bei Corona haben wir einen klaren Feind, den wir bekämpfen können. Wir können also mit unserer alten (Kriegs-)Logik vorgehen, wir können aktiv werden auch wenn vieles unsicher bleibt.
      Bei vielen anderen Herausforderungen funktioniert das so nicht ohne weiteres. Wir brauchen auch ein ganz anderes Vorgehen. Der Krieg gegen die Klimasünder wird uns wohl nicht in die Welt führen, in der ich leben möchte. Charles Eisenstein führt so klar aus: Wir brauchen viel mehr als nur die Veränderung einer einzelnen Stellschraube. Wir brauchen eine revolution of love (Revolution der Liebe oder vielleicht besser eine Revolution mit Liebe), die bei den Grundlagen unserer Gesellschaft ansetzt, der Geschichte der Trennung. Und diese Geschichte der Trennung wird ja durch Corona auch ganz eindrücklich in Frage gestellt.

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