Projektbeschreibung Gewaltprävention und Konflikttraining im Kindergarten

“Mami, Mami, der hat mich gehauen”

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 Kurzfassung

Das hier beschriebene Projekt wird im Leinebergkindergarten des Kinderhaus e. V. in Göttingen durchgeführt. Zentrale Bestandteile des Konzeptes sind: Intensive Schulung der Erzieherinnen, Spielerische Übungen mit den Kindern, Praxisreflexion auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation und Elternarbeit. Das Projekt wurde als Pilotprojekt des Landes Niedersachsen gefördert. Ende 2003 wurde eine ausführliche und praxisorientierte Dokumentation vorgelegt.

Ausgangspunkt und Zielsetzung

Konflikte sind im Kindergarten an der Tagesordnung. Sie nehmen viel Raum ein und ziehen einen Großteil der Energie auf sich. Erwachsene reagieren im Umgang mit Konflikten zwischen Kindern häufig hilflos. Wir haben selbst nur unzureichend gelernt mit Konflikten umzugehen.Konflikte sind jedoch unvermeidlich, wir werden unser ganzes Leben mit ihnen zu tun haben. Unternehmen investieren mittlerweile große Summen, um ihre Mitarbeiter im Umgang mit Konflikten zu schulen. Die Wurzeln für einen sinnvollen Umgang mit Konflikten werden in der Kinderzeit gelegt. Deshalb ist es besonders sinnvoll, schon im Kindergarten mit Konflikttraining zu beginnen. Mit unserem Konflikttraining wollen wir einen Beitrag zu einer neuen Konfliktkultur im Kindergarten und in der Gesellschaft leisten. Dabei geht es nicht nur um die Verminderung gewaltsamer Auseinandersetzungen im Kindergarten. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Stärkung der Konfliktfähigkeit von Kindern, Erzieherinnen und Eltern. So verstandenes Konflikttraining versetzt Kinder in die Lage, ihre Bedürfnisse zu erfüllen ohne dem Nachbarn „eins über die Mütze ziehen zu müssen“. Das Konflikttraining im Kindergarten ist damit nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Gewaltprävention, sondern gleichzeitig ein Selbstbehauptungstraining besonderer Art.Bewusst setzen wir bereits weit vor der Entstehung von Konflikten an. Wie die Ereignisse in Erfurt zeigen, ist der sichtbare Konflikt häufig nur die Spitze des Eisberges. Deutlich wurde durch diesen Vorfall, dass ein Ansatz der rein auf akute Konfliktlösung setzt (Mediation), zu kurz greift.

Wie wollen wir das erreichen?

Im Mittelpunkt des Projektes steht der Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg. Schon seit vielen Jahren wird der Ansatz auch in Schulen und Kindergärten eingesetzt. In Israel werden Programme zur Gewaltfreien Kommunikation in ca. 1000 Kindergärten durchgeführt. Eine Studie an der Leo Beck Schule in Haifa belegt die Wirksamkeit des Ansatzes: Durch den Einsatz von GFK-Interventionsprogrammen konnten die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den betroffenen Kindergärten um 50% reduziert werden. Nähere Informationen zum Ansatz im Materialteil.

Das Besondere am vorgestellten Projekt in Stichpunkten

  • Das ganze System wird einbezogen: Kinder, Erzieherinnen, Eltern
  • Das Projekt setzt mit Konfliktvermeidung und Gewaltprävention früher an als die weit verbreiteten Konfliktschlichterprogramme in Schulen
  • Wir vermitteln Strategien zur Erreichung der eigenen Bedürfnisse in Einklang mit der Umgebung – nicht nur Techniken im Umgang mit Konflikten
  • Wir verwenden einen in sich konsistenten Ansatz, der seine Wirksamkeit in vielen Gebieten der Welt unter Beweis gestellt hat: Die gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall B. Rosenberg
  • Im Mittelpunkt des Projektes steht die Integration einer bewussten Kommunikation in das alltägliche Leben. Alle Beteiligten sind Lernende.
  • Die Entwicklung und Anpassung des Projektes erfolgt in enger Kooperation von Projektleitern und Erzieherinnen. Es werden keine fertigen Konzepte übergestülpt.
  • Für die Arbeit mit 2-3 jährigen müssen neue Formen der Vermittlung gefunden werden.

In dieser Kombination ist das Projekt nach unserer Kenntnis einmalig in der Bundesrepublik Deutschland

 

Der Aufbau des Projektes

Das Projekt besteht aus mehreren Bausteinen:

Baustein 1: Einführung für ErzieherInnen

Diese Einführung soll in die Konzepte der gewaltfreien Kommunikation einführen. An konkreten Beispielen aus dem Alltag wird die Wirksamkeit erprobt. Dauer der Einführung: insgesamt 2 mal 2 Tage

Ziel:

Veränderung des eigenen Verhaltens, um zur Verminderung von Gewalt und Konflikten beizutragen

Methoden:

Die Fortbildung ist übungs- und prozessorientiert aufgebaut. Nach kurzen Inputs zur gewaltfreien Kommunikation wird die Selbstreflexion des eigenen Konfliktverhaltens und des Umgangs mit Konflikten zwischen Kindern eine wichtige Rolle spielen. Im Mittelpunkt steht das Kennenlernen und Einüben von Alternativen. Übungen, Rollenspiele und Fallarbeit im Plenum werden hierzu beitragen.

Inhalte (Ausschnitte):

  • Trennung von Beobachtung und Bewertung
  • Trennung von Interpretation und Gefühlen
  • Universelle Bedürfnisse als Motoren unseres Verhaltens
  • Verantwortung für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse übernehmen
  • Bekommen, was das Leben reicher macht: Von Bitten und Forderungen

Baustein 2: Übungssequenzen für Kinder

In spielerischen Übungen erfahren die Kinder, wie sie mit gewaltfreier Kommunikation das bekommen können was sie brauchen ohne auf gewaltsame Auseinandersetzungen zurückgreifen zu müssen. Ausgangspunkt ist nicht ein Defizit, sondern die bei Kindern noch gut entwickelte Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Die Angebote werden nach dem Alter der Kinder differenziert, es wird angestrebt, dass die älteren Kinder eine aktive Rolle bei der Weitervermittlung an jüngere Kinder übernehmen. Die Übungssequenzen werden in den Kindergartenalltag integriert. Neben den einzelnen Übungen wird es verbindendende Aktivitäten geben (Geschichten, eine Giraffe wachsen lassen, …) Grundlage der Übungseinheiten für Kinder sind die Erfahrungen aus anderen Ländern (Bosnien: Ignatovic-Savic et al. Worte sind Fenster – oder sie sind Mauern; USA: Green, N. S.: Das Giraffenklassenzimmer; s. Literatur). In Zusammenarbeit von Erzieherinnen und Projektbegleitern wird ein auf die konkreten Bedürfnisse zugeschnittenes Projekt entwickelt. Die Übungen werden überwiegend von den ErzieherInnen entwickelt und altersgerecht durchgeführt.

Baustein 3: konkrete Fallarbeit

In Fällen von länger andauernden Konflikten werden diese mit Hilfe der Projektbegleiter bearbeitet.

Das Lernen am konkreten Einzelfall im Alltag ist entscheidend für den Erfolg des Projekt. Dabei können die Erzieherinnen in manchen Fällen angesichts der Vielzahl der Aufgaben an ihre Grenzen kommen. Dies können Konflikte mit einzelnen Kindern oder spezielle wiederkehrende Situationen sein. Auch Konflikte im Dreieck Kinder-Eltern-Erzieherinnen sind denkbar.

In diesen Fällen werden die Projektbegleiter als Vermittler zur Verfügung stehen.

Baustein 4: Praxisreflexion für Erzieherinnen

Das Projekt stellt hohe Anforderungen an die Erzieherinnen. Neue Verhaltensweisen werden nicht in wenigen Tagen integriert. In einem offenen Projekt lässt sich nicht alles vorplanen. Deshalb wird parallel zum Projekt in 14 tägigem Rhythmus der Stand des Projektes reflektiert.

Hier werden Anpassungen vorgenommen. Im Mittelpunkt steht aber die Bearbeitung von Schwierigkeiten in der Anwendung des neuen Modells. Ziel ist es, die in der Einführung erworbenen Fähigkeiten zu vertiefen und erweitern. Die Praxisberatung wird auf ca. 2,5 Stunden alle 2 Wochen veranschlagt.

Baustein 5: Angebote für Eltern

Die Einbeziehung der Eltern in das Projekt ist besonders wichtig. Zunächst soll das Projekt auf den regelmäßigen Elternabenden ausführlich vorgestellt werden. Im weiteren Verlauf wird an dieser Stelle über wichtige Erfahrungen im Kindergartenalltag berichtet.

Darüber hinaus wird an zwei Nachmittagen (Samstags) eine Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation für Eltern angeboten. Für besonders dringliche Fälle steht das Instrument der Fallarbeit (Baustein 3) zur Verfügung.

Organisatorisches

Projektdauer: ½ Jahr

Projektbegleitung: Dr. Gerhard Rothhaupt (Berater, Fa. Visionen und Wege); Markus Sikor (Mediator, Institut Sikor).

Zum Projekt gibt es eine Broschüre (2 € Versand) und eine ausführliche vierfarbige Dokumentation (8 € + 3 €) für Menschen, die selbst ein ähnliches Projekt initiieren wollen.

Beide sind erhältlich bei: Kinderhaus e. V.

Die Broschüre gibt es hier auch  zum Download als pdf.

 

geschrieben am 14. Januar 2013 von Gerhard Rothhaupt

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2 Antworten zu “Projektbeschreibung Gewaltprävention und Konflikttraining im Kindergarten”

  1. Hanna Ashman sagt:

    Moin Moin Herr Rothhaupt,
    Ich bin Einrichtungsleitung einer Kita in Rendsburg und habe gerade mit großem Interesse Ihre Projektbeschreibung für den Kindergarten gelesen. Einen Umgang mit Konflikten/Gewalt auf Basis der GfK zu finden kann ich mir auch sehr gut vorstellen. Begleiten Sie das Projekt selbst oder haben Sie KollegInnen, die damit bereits Erfahrungen gesammelt haben? Und natürlich auch die Frage nach dem Preis.
    Herzliche Grüße
    Hanna Ashman

    • Gerhard Rothhaupt sagt:

      Hallo Frau Ashman,

      leider kann ich Sie über Email nicht erreichen. Vielleicht rufen Sie mich mal kurz an und hinterlassen mir eine Nachricht, wie ich Sie erreichen kann? Tel. 0551-77997

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